(*Rezension*) Die Psychologin
Pünktlich zum Jahresbeginn stand ich vor meinem reichlich mit
ungelesenen Büchern gefülltem Bücherregal und hatte die Qual der Wahl.
Die Entscheidung war nicht gerade leicht, aber letztendlich habe ich
mich für den Roman "Die Psychologin" von Carolyn Jess-Cooke entschieden.
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Piper Taschenbuch (12. November 2012)
Homepage des Verlages: www.piper-verlag.de
Sprache: Deutsch
Originaltitel: The Boy Who Could See Demons
Größe und/oder Gewicht: 18,8 x 12 x 3 cm
"Ich bin ein Eggenmann. Meine Aufgabe ist es, mich einzuschalten, nachdem die Schranken durchbrochen wurden, nachdem die Handlungen vollbracht worden sind und nachdem auch die Reue ihre Zähne tief ins Gedächtnis geschlagen hat. Dann egge ich die Seele, bis sie reif ist für die Samen des Zweifels und der Hoffnungslosigkeit, für die keine Sprache der Menschheit einen adäquaten Wortschatz besitzt. Ich könnte euch tausend Übersetzungen von >Qual< in den verschiedenen Sprachen der Menschenwelt geben, denn sie sind alle unterschiedlich, und doch keine davon kann auch nur annähernd die Komplexität dieser Gefühle erfassen. Der Grund dafür ist, dass es für die Arbeit, die ich leiste, keine Übersetzung gibt. Niemand muss erst in die Hölle geholt werden, um sie zu erfahren."
(Seite 203/ 204)
Kurzbeschreibung:
Anya Molokov ist Kinderpsychologin. Keine leichte Aufgabe für eine Frau, die ihre eigene Tochter unter mysteriösen Umständen verloren hat. Ihr Trauma erwacht zu neuem Leben, als Anya dem hochbegabten Alex begegnet. Denn der Zehnjährige sieht Dinge, die sonst niemand sehen kann. Und er kennt Geheimnisse von ihr, die sie niemandem je anvertraute. Je enger das Band zwischen den beiden wird, desto entschlossener ist Anya, Alex seinen Dämonen zu entreißen – egal, um welchen Preis …
zum Inhalt
Ich kann nicht mehr sagen, mit genau welcher Erwartung ich an das Buch
gegangen bin. Vielleicht habe ich mehr Spannung erwartet, vielleicht
mehr Fachchinesisch oder mehr Grusel. Gefunden habe ich jedoch einen
"richtigen" Roman, eine leicht nachzuempfindende Geschichte über eine
Kinderpsychiaterin Anya Molokov, die den Tod der eigenen Tochter auch
nach Jahren nur äußerst schwer verkraften kann und deren Wunden immer
wieder aufgerissen werden. Durch ihre Arbeit im MacNeice House , einer
psychiatrischen Einrichtung für Kinder und Jugendliche in Belfast, lernt
Anya den zehnjährigen Alex Broccoli kennen.
Er lebt zusammen mit seiner
Mutter und seinem Hund in ärmsten Verhältnissen. Die Familie erhält
soziale Hilfe und Unterstützung von Michael, einem Sozialarbeiter, der
sehr um die Familie bemüht ist. Und jede Art von Hilfe ist dringend
notwendig da Alex' Mutter schon mehrere Selbstmordversuche unternommen
hat.
Im Laufe des Buches wird immer deutlicher, wie eng die Beziehung
von Alex zu seiner Mutter ist, auch wenn diese kaum in der Lage ist sich
entsprechend um ihren Sohn zu kümmern, denn in entscheidenden Moment
ist es Alex, der sich um seine Mutter kümmert und sich für sie
verantwortlich fühlt.
Bereitwillig und von Anfang an sehr vertrauensvoll
berichtet Alex Anya davon, dass er Dämonen sehen kann, und einer dieser
Dämonen ist in den vergangenen Jahren zu seinem besten Freund geworden.
Der Versuch, Alex zu behandeln und den Grund seiner Wahnvorstellungen
zu finden, lässt Anya's Erinnerungen an ihre Tochter wach werden und ein
weiterer Schicksalsschlag bringt Alex und Anya in Gefahr.
Literatur zu psychischen Erkrankungen kann man sicherlich nicht so
einfach als "schön" bezeichnen, aber dieses Buch überrascht tatsächlich
mit einem unheimlich schönen Schreibstil. Ich brauchte nur wenige
Seiten, um mich in die Geschichte (aber auch in die Hauptpersonen)
hineinzufinden, die abwechselnd aus Sicht des zehnjährigen Alex und der
Psychologin Anya beschrieben sind. Die Wahnvorstellungen von Alex sind so
überzeugend und real beschrieben, dass sie einem weder dunkel noch wie
ein Alptraum erscheinen und auch nicht von grundsätzlich böser Natur
bzw. Absicht geprägt sind. Sie sind da und sind Teil von Alex' Alltag.
Auch wird die Handlung der Geschichte in keinem Moment von
ausschweifenden oder überladenen fachlichen Erklärungen zu psychischen
Erkrankungen unterbrochen. Ganz im Gegenteil. Vom ersten Moment verfügt
der Roman über ein Erzähltempo, bei dem man das Buch nicht beiseite
legen möchte und es fast unmerklich in einem Rutsch liest.
Fazit
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, auch wenn es vielleicht nicht zu dem
Typ Buch gehört, von dem man noch lange Zeit nach dem Lesen schwärmt.
Aber die sensible und einfühlsame Darstellung der Personen im Buch macht
es zu einem guten Gesamtpaket und damit zu einem durchaus
empfehlenswerten Buch!